In den letzten Monaten war von verschiedenen Asset Managern immer wieder von einem steigenden Angebot an Nachhaltigen Geldanlagen zu hören. Auffallend war dabei vor allem eines: die Tendenz zu leicht irreführenden, teilweise gar marktschreierischen Aussagen.
In Vorträgen und Medienberichten wird oft suggeriert, dass mit bestimmten Nachhaltigkeitsfonds ethisch völlig sauber und unbedenklich investiert sei. Dabei wird diese Garantie auch auf das Umfeld der investierten Titel (z.B. alle Zulieferer) ausgeweitet. Einige Anbieter erheben zudem den Anspruch, der einzig gewissenhafte Akteur am Markt zu sein – selbst im Vergleich zu der Hundertschar an Analysten bei den Research-Agenturen des Bereichs ‚environmental, social and governance‘ (ESG).
Kurzum: Ein Anleger könne sich sicher sein, mit reinem Gewissen und ethisch absolut unbedenklich zu investieren.
Beim Anleger kann dies schnell die Erwartungshaltung hervorrufen, mit Nachhaltigen Geldanlagen einwandfrei und schnörkellos ‚die Welt retten zu können‘. Dabei finden sich bei Fondsanbietern immer wieder auch Unternehmen mit Kontroversen und Hinweisen auf zweifelhafte Geschäftspraktiken. Gerade in Zeiten, in denen sich Nachhaltige Geldanlagen zunehmender Beliebtheit erfreuen, ist daher vermehrte Aufklärung angebracht.
So gibt es in fast jeder Branche, insbesondere im Bereich „Metals & Mining“, „Utilities“ und „Chemie“, permanent eine Vielzahl an Kontroversen, die man z.B. über den Service der Schweizer Organisation RepRisk in Erfahrung bringen kann. Bei einer absolut konsequenten Berücksichtigung würden diese Kontroversen zum Komplettausschluss vieler Unternehmen und monatlich zu einem großen Rausverkauf an Titeln eines Fonds führen. Gerade in Deutschland rückt z.B. die Nichteinhaltung des Mindestlohns – gerade bei Zulieferern von Konzernen – immer wieder in den Fokus der Öffentlichkeit.
Nahrungsmittel- und Textilkonzerne arbeiten oft mit einer Vielzahl an Zulieferern zusammen, die ihrerseits wiederum Subunternehmen beauftragen. Die Kaskade derer, die an der Wertschöpfungskette beteiligt sind, kann somit schnell intransparent werden. Um Missstände überhaupt erst in Erfahrung zu bringen, sind Konzerne sogar auf Hinweise von z.B. NGOs (non-governmental organisation) angewiesen.
Selbst Henkel, ein in puncto Nachhaltigkeit oft vorbildliches Unternehmen seiner Branche und das DAX-Mitglied mit den weltweit größten Verflechtungen, weist darauf hin, die Zuliefererkette nicht immer in letzter Konsequenz nachvollziehen zu können.
Wichtig ist deshalb zu wissen, ob ein Fondsmanager diese Hinweise kennt, aufnimmt, beim Unternehmen adressiert und auch darauf hinwirkt, konkrete Verbesserungen zu erreichen. Dies erfolgt im Rahmen sogenannter „Dialog- und Engagementverfahren“, einige Fondsgesellschaften berichten sogar seit einigen Jahren öffentlich darüber. Bei den großen Nachhaltigkeits-Agenturen wie oekom, imug, MSCI, rfu, Sustainability Intelligence, Inrate, Sustainalytics werden monatlich mehr als 1.000 Kontroversen analysiert und nach Schweregrad eingestuft.
Anleger sollten daher nicht der Illusion erliegen, mit der Investition in Nachhaltigkeitsfonds seien jegliche Menschen- und Arbeitsrechtsverstöße kategorisch vermeidbar.
Vielmehr scheint auf Anlegerseite auch hier der Wunsch nach Transparenz und Gewissheit zu bestehen. So muss vonseiten der Fondsanbieter erläutert werden, dass mit Nachhaltigkeits-Fonds nicht die Probleme der Welt im Handumdrehen gelöst werden und selbst Fonds zu Sustainable & Responsible Investment, kurz SRI, keine durchgehend blütenweiße Weste tragen (können).
Sehr wohl lassen sich jedoch Beteiligungen an skandalträchtigen Unternehmen nahezu ausschließen und Verwerfliches kann vermieden werden. Bei qualitativ hochwertigen Nachhaltigkeitsfonds können Anleger durchaus ein proaktives Fondsmanagement bekommen, das im Idealfall bereits im Vorfeld gravierender Probleme im Sinne der Nachhaltigkeit auf Unternehmen einwirkt. Auf diesem Wege erhalten Anleger vermehrt Informationen über die Wirkungsweise des jeweiligen Nachhaltigkeitsfonds, haben ein gleiches und vermehrt sogar besseres Rendite-Risiko-Profil und können letztendlich sogar auf lange Sicht, Schritt für Schritt, zu einer besseren, nachhaltigeren Welt beitragen.
Doch wie findet ein Anleger nun qualitativ hochwertige Nachhaltigkeitsfonds bzw. was macht einen guten SRI-Fonds aus?
Ein Nachhaltigkeitsfonds ist mehr als die Summe seiner Titel im Portfolio. Deswegen liegt der Fokus eines Analyseverfahrens wie das des FNG-Siegels nicht nur auf den Investments als solches, sondern es werden alle Bemühungen des Fonds um Nachhaltigkeitswirkung unter die Lupe genommen. Mit über 80 Fragen werden mittels einer vielschichtigen Siegelmethodik die individuell unterschiedlichen Nachhaltigkeitsansätze bewertet. Diese Ganzheitlichkeit führt zu einem aussagekräftigen Gesamtbild einer komplexen Thematik.
Um das Siegel überhaupt erst zu erhalten, muss der Fondsanbieter verschiedene Mindest-anforderungen erfüllen, sozusagen das Pflichtprogramm: Er muss im öffentlich einsehbaren FNG-Nachhaltigkeitsprofil und einem Transparenzkodex seinen Nachhaltigkeitsansatz klar und präzise darstellen, damit dieser von interessierten Anlegern direkt nachvollzogen werden kann. Ebenfalls ist nachzuweisen, dass er sämtliche Titel im Portfolio auf Umwelt- und Sozialkriterien sowie Maßgaben der guten Unternehmensführung (ESG) hin analysiert, also der drei zentralen Elemente der Nachhaltigkeit im Finanzbereich.
Ausschlüsse alleine reichen nicht, sind aber die Basis. Denn um das Siegel zu erhalten, darf der Fonds zudem nicht in Waffenhersteller, Betreiber von Atomkraftwerken, den Kohle- und Uranbergbau sowie bedeutsame Kohlverstromung investieren. Tabu sind überdies Investments in Unternehmen mit schwerwiegenden Verstößen gegen Konventionen auf dem Gebiet der Menschenrechte und Arbeitsbedingungen, des Umweltschutzes und der Korruption. Länder, die Menschenrechte nicht achten, die Artenvielfalt nicht respektieren oder die als korrupt gelten, dürfen ebenfalls nicht im Portfolio enthalten sein. Beispielsweise sind derzeit Staatsanleihen der USA ein No-Go.
Nach der Pflicht kommt die Kür: Wenn die erste Hürde der Mindestanforderungen überwunden ist, hilft ein Stufenmodell dabei, die Qualität des jeweiligen Nachhaltigkeitsfonds beurteilen zu können. In diesem Modell kann der Fonds bis zu drei Sterne erhalten. Dafür werden folgende Ebenen analysiert:
Ein Gütesiegel lebt von einer gewissen Strenge, Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit. Das Audit, die Analyse der Fonds, wird von der staatlichen Universität Hamburg durchgeführt. Dort ist mit gleich fünf Lehrstühlen und 20 Forschern eines der weltweit größten Know-How-Zentren rund um die Nachhaltige Finanzwirtschaft aktiv. Darüber hinaus wird der Prüfprozess von einem unabhängigen Beratungs-Komitee, u.a. mit Experten der Universität Kassel, einem Theologen und der WWF Schweiz überwacht.
Zu den aktuell ausgezeichneten Fonds geht es hier.
Die Bewerbungsphase für das FNG-Siegel 2022 beginnt übrigens am 4. April und endet am 7. Juli. Erfahren Sie mehr dazu unter „Thema“.
FONDSTRENDS | „Über die richtige Erwartungshaltung bei Nachhaltigkeitsfonds – Was diese leisten und nicht leisten (können)“
Der Qualitätsstandard für Nachhaltige Geldanlagen im deutschsprachigen Raum.
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